Naturpark Erzgebirge / Vogtland

Biologische Vielfalt in der Montanregion

Halden im Naturpark


Das aus den Bergbaustollen geförderte unbrauchbare Gestein, berg- männisch “taubes” Gestein genannt, wurde in unmittelbarer Nähe der Gruben aufgeschüttet. Nach Art der Aufschüttung werden Kegelhalden oder Tafelhalden unterschieden. Unabhängig von ihrer Form sind sie inzwischen zu wertvollen Lebensräumen für Tiere und Pflanzen geworden. Das abgebaute Gestein entscheidet über die Ausprägung der Halden.

Als sogenanntes Rohbodenbiotop bieten stillgelegte Halden Lebens- bedingungen, die Lebewesen in unserer stark genutzten Kulturlandschaft nur noch sehr selten vorfinden. Am Beginn der Besiedelung gedeihen hier Pflanzenarten, die sich auf nährstoffarme, helle und trockene Verhält- nisse spezialisiert haben. Auch wechselwarme Reptilien bevorzugen diese sonnigen Plätze. Die entstandenen Biotope sind jedoch einem ständigen Wandel unterworfen. So setzt sich dieser Prozess mit dem Anflug von Baumsamen der Pionierbaumarten, allen voran der Birke fort. Aus dem abfallenden Laub der Bäume und anderen Pflanzenresten bildet sich über lange Zeit hinweg eine Humusschicht. Mit ihrer Fähigkeit, Wasser zu speichern, ermöglicht diese Bodenschicht wiederum das Wachstum anderer Pflanzenarten. Greift der Mensch nicht in diesen natürlichen Sukzessionsprozess ein, steht am Ende der Entwicklungskette ein arten- reicher Wald. Viele der auf Halden entstandenen Lebensräume stehen heute unter Naturschutz.

Eine besondere Art von Halden sind die sogenannten Raithalden. Sie entstanden beim Auswaschen von Zinn aus bodennahen Schichten. Um den großen Wasserbedarf zu befriedigen, wurden viele Bäche umgeleitet. Bei diesem Vorgang, dem sogenannten Seifen, wurden ganze Gebiete re- gelrecht durchgewaschen. Ausgewaschenes Material wurde beräumt und blieb in Form kleiner Halden in der Landschaft zurück. Heute erinnern uns Hügel im Wald und Ortsbezeichnungen wie Seiffen und Seifenbach an die Tätigkeiten unserer Vorfahren.

Steinbrüche

Eine Besonderheit stellen Steinbrüche der großen Basalterhebungen Pöhlberg, Scheibenberg und Bärenstein dar. Durch die Abbautätigkeiten wurden bis zu 40 m hohe, in der Regel sechseckige Basaltsäulen frei- gelegt, die sich wie Orgelpfeifen aneinanderreihen. Entstanden sind diese im Tertiär aus erstarrter Lava, die sich in ein riesiges Flusstal ergoss. Die durch die Steinbruchtätigkeit entstandenen Blockhalden sind Lebensraum für viele selten gewordene Tier- und Pflanzenarten. Auch in den Spalten der überwiegend glatten, senkrechten Felswände siedeln sich Pflanzen an, z. B. seltene Kleinfarne. Die Basaltsäulen mit ihrer Felsvegetation sind in dieser Ausdehnung einzigartig in Sachsen. Deshalb wurden die Mittel- erzgebirgischen Basaltberge zum europäischen Schutzgebiet Natura 2000 erklärt.

Ebenfalls unter europäischem Schutz stehen die Serpentinsteinhalden bei Zöblitz und Ansprung. Hier gedeihen ebenso seltene, gefährdete und vom Aussterben bedrohte Pflanzenarten. Überregional bedeutsam sind direkt an das Serpentingestein gebundene Farne. Bei den Serpentin-Streifen- farnen handelt es sich um hochgradig spezialisierte Pflanzenarten, deren Artbildungsprozesse noch nicht abgeschlossen sind, es sind sozusagen Arten in der Entstehung.

Nicht unerwähnt bei der Aufzählung darf der Kalksteinbruch in Hammer- unterwiesenthal bleiben. Ein Teil des noch heute in Betrieb befindlichen Steinbruches wurde unter Naturschutz gestellt. Das höchstgelegene Kalkvorkommen in Sachsen ließ eine einmalige Tier- und Pflanzenwelt entstehen. Europaweit bedeutsame Lebensräume wie basophile Pionier- rasen, Berg-Mähwiesen, Silikatschutthalden, kalkhaltige Schutthalden, Kalkfelsen mit Felsspaltenvegetation und Silikatfelsen mit Felsspalten- vegetation liegen hier auf dichtem Raum nebeneinander.

Stollen


Die unzähligen stillgelegten Bergwerksstollen erscheinen auf den ersten Blick lebensfeindlich. Doch dies gilt nur für die Pflanzenwelt, die nicht ohne Licht existieren kann. Einigen Tierarten hingegen dienen sie als willkommene Unterschlupfmöglichkeiten, denn natürliche Höhlen sind im Naturpark vergleichsweise selten. Eine wichtige Eigenschaft macht die unterirdischen Gänge bedeutsam für Amphibien, Falter und besonders Fledermäuse. Sie sind ganzjährig frostfrei und haben ein ausgeglichenes Klima. So eignen sie sich hervorragend als Winterquartier. Umso wichtiger ist es, bei der Sicherung von Stolleneingängen, diese für die Tiere passier- bar zu gestalten.

An ungestörten Plätzen im Stollen verkriechen sich Fledermäuse in Spal- ten oder hängen sich an die Decke und halten kopfüber ihren Winter- schlaf. Ihre Körpertemperatur ist dabei so niedrig wie die Umgebungs- temperatur. Alle Leistungen ihres Körpers sind stark gedrosselt. So können die Tiere bis zu fünf Monate durch ihre Fettreserven überleben. Bei wiederholten Störungen werden ihre Reserven zu schnell aufgezehrt, ihre Energie reicht dann nicht mehr zum Erwachen und die Tiere sterben.
 

Floß- und Kunstgräben


Auch im Zuge des Bergbaues künstlich angelegte Wassergräben tragen, sofern sie noch wasserführend sind, zur Erhaltung der natürlichen Vielfalt im Naturpark bei. Aufschlagwasser- und Floßgräben gelten zu Recht als Schaustücke der Markscheider- und Vermesserkunst.

Damit das Wasser aus möglichst großer Höhe auf Antriebsräder und Turbinen traf, erhielten sie nur ein sehr geringes Gefälle. Auch die Steige der Flößerknechte und Grabenwärter auf den Dämmen verlaufen somit fast waagerecht. Wo die Gräben erhalten sind, laden sie heute zu be- quemen Wanderungen ohne anstrengende Steigungen ein.

Besiedelt sind die Wasserläufe je nach Wassereigenschaft und -angebot mit Ufervegetation, manchmal Unterwasservegetation und gewässer- bewohnenden Kleinstlebewesen. Vereinzelt trifft man sogar auf Bach- forellen oder Groppen.

© Naturpark Erzgebirge Vogtland 2024 designed by Koodima UG (haftungsbeschränkt)